Leitbild des Caritasverbandes für den Landkreis Haßberge e.V.
Der Weg zum Leitbild
Das Leitbild der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Diensten und Einrichtungen des Caritasverbandes für den Landkreis Haßberge e.V. wurde von 60 haupt- und 6 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelt. Die Arbeit geschah im Rahmen von Zielvorgaben des Vorstandes unter Federführung einer demokratisch gewählten Projektgruppe. Die Arbeit wurde von externen Beratern begleitet.
Unser Weg zum Leitbild war ein Neubeginn im Sinne von “Miteinander Tun”. Das Leitbild beschreibt nicht den Ist-Zustand unserer gemeinsamen Arbeit, sondern unsere Zielvorstellung wie wir künftig arbeiten wollen. Das vom Vorstand in Kraft gesetzte Leitbild werden wir in die tägliche Arbeit umsetzen. Es weiterzuentwickeln bleibt ein ständiger Auftrag.
Das Leitbild
1. Der Begriff der Caritas
“Caritas” ist der lateinische Ausdruck für die Liebe Gottes zu den Menschen und für die Liebe des Menschen zu seinen Mitmenschen (Gottes- und Nächstenliebe). Dasselbe Wort ist die Bezeichnung für den Sozialdienst der kath. Kirche. Der Bischof wacht über die Einhaltung der Satzung des Caritasverbandes.
Im Rahmen dieser Satzung handelt der Verband selbständig. Letztlich gründet er in der Lehre und dem Auftrag Jesu. Als freier Zusammenschluss sozial engagierter Menschen (Verband) ist die Caritas auch ein freier Wohlfahrtsverband und gestaltet den Sozialstaat (Art. 20 GG) mit. Der Verband hat gesellschaftliche und politische Aufgaben, er ist seinen Mitgliedern und demokratisch gewählten Organen verpflichtet.
Die Caritas als Verband hat dadurch öffentlich-rechtlichen Charakter. Immer steht der Mensch als Person und die Hilfe für und mit ihm im Mittelpunkt aller Tätigkeiten der Caritas.
2. Grundlagen und Werte
“Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe” (Joh 15,12), dies ist eine der vielen Aufforderungen Jesu zur Nächstenliebe. Ohne sie ist der Glaube an Gott und die Liebe zu ihm nicht denkbar. Grundlage für die Arbeit des Caritasverbandes sind die Worte und Taten Jesu, wie sie von der kath. Kirche vorgelegt werden. Seine Geschwisterlichkeit, seine Barmherzigkeit, seine Zuwendung zum Menschen sind Maß und Ziel jeglicher Caritasarbeit.
Darum ist es von entscheidender Bedeutung, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Caritasverbandes bemühen, den Weg Jesu zu gehen. Dieses Bemühen kann jedoch nicht erzwungen werden, sondern muss sich an Jesus orientieren, der den Menschen in seine Nachfolge ruft, keinen Zwang ausübt, sondern ihn auf seinem Weg begleitet, stützt und hält. Die hilfesuchenden Menschen stehen im Mittelpunkt der Bemühungen der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verbandes.
Selbstliebe ist die Voraussetzung für Nächstenliebe. Nur wer sich selbst mit seinen Stärken und Schwächen annimmt und mit seinen Kräften haushält, kann gute Arbeit leisten. Wer von anderen Nächstenliebe fordert, muss sie im Umgang untereinander auch praktizieren. “Dabei kommt es darauf an, wie ich eine Aufgabe erledige, nicht dass ich mehr Arbeit leiste, sondern dass ich die vorhandene Zeit entsprechend nutze. Es gibt eine Unmenge von Not, die nicht auf einmal gelindert werden kann.”
Jegliches Tun für den Menschen als Ebenbild Gottes ist Handeln für Christus: “Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan” (Mt 25,40) Nach dem Beispiel Jesu sind die Menschen in Armut und die Ausgestoßenen der Gesellschaft und alle Hilfsbedürftigen die bevorzugten Adressaten der Hilfe des Caritasverbandes. Ziel des Caritasverbandes und aller anderen Dienste der Kirche ist das allumfassende Heil des Menschen.
Deshalb ist eine Zusammenarbeit zwischen Caritasverband und Pastoral, zwischen Seelsorgern und Mitarbeitern des Caritasverbandes anzustreben und weiter auszubauen.
3. Aufgaben
Die Aufgaben des Caritasverbandes sind in der Satzung grundgelegt. Dieser Satzung ist der Verband verpflichtet. Er muss in der täglichen Begegnung mit Menschen in Not und in der Beobachtung der Gesellschaft seinen Auftrag immer neu erfüllen. Es geht z.B. nicht um Profit, Ausweitung von Organisation und Besitz, um Stellung und Ansehen in der Gesellschaft.
Die Hilfe für die Menschen beinhaltet drei grundlegende Aspekte:
- die Beseitigung von konkreten Notsituationen
- die Unterstützung in Reifungs- und Entfaltungsprozessen
- die Beseitigung unmenschlicher Strukturen und vorausschauende Sozialpolitik.
Sie muss den ganzen Menschen (Körper, Geist, Seele) und seine Umwelt immer im Blick haben. Die Hilfe geschieht zunächst durch die Förderung und Unterstützung des sozial-caritativen Tuns von Pfarrgemeinden, kleinerer Einheiten und Gruppen (örtliche Caritasvereine, Selbsthilfegruppen, Nachbarschaftshilfen etc.). Erst wenn diese überfordert sind, übernimmt der Caritasverband selbst Aufgaben und Dienste.
Bei der Arbeit spielen Nationalität, Einkommen, soziale Stellung, Konfession und Weltanschauung der Hilfesuchenden keine Rolle. Es stehen die Menschen im Vordergrund, die in der Gesellschaft am Rande stehen, die keine Lobby haben oder die sich aus eigener Kraft nicht helfen und zu Wort melden können. Die Hilfe des Caritasverbandes hat sich neuester Erkenntnisse, bester Methoden und fachlich qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bedienen, wenn der Verband seinem Ziel gerecht werden will.
4. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Ehrenamt
Das Ehrenamt ist die Wurzel des Verbandes. Durch das Engagement Ehrenamtlicher ist die Caritas entstanden. “Ehrenamtlich Tätige sind Menschen, die sich ohne oder gegen geringfügiges Entgelt sporadisch oder regelmäßig für Aufgaben der sozialen Arbeit zur Verfügung stellen” Es geht “dabei weder um ‘Ehre’ noch um ‘Amt’, sondern schlicht und einfach um freiwillig übernommene zusätzliche Dienste zugunsten Einzelner oder des Gemeinwesens”.
Demnach ist unter ehrenamtlicher Tätigkeit nicht nur regelmäßige und mit einem Amt verbundene Tätigkeit zu verstehen, sondern jede auch sporadische soziale Tätigkeit mit und für Menschen. Dies heißt dann, dass unbezahlte Mehrarbeit im sozialen Beruf ebenfalls eine ehrenamtliche Tätigkeit ist. Oberstes Prinzip ist die Freiwilligkeit und die eigene Entscheidung.
Hauptamt
Eine qualifizierte Arbeit des Caritasverbandes ist ohne fachlich ausgebildete hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht denkbar. Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Caritasverbandes wird eine fachliche Qualifikation und die Anerkennung der dort geltenden Grundlagen und Werte erwartet. Das muss auch im Verhältnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zueinander deutlich werden. Respekt und Beachtung als Person, Verständnis und Vertrauen sind wichtige und befreiende Erfahrungen, die letztlich nicht nur den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern auch den anvertrauten Menschen zugute kommen.
Der Caritasverband ist auf die Loyalität seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewiesen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen ihrerseits Transparenz und Fürsorge seitens der Führungsverantwortlichen erwarten. Dies umfasst auch die notwendige Information der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Arbeit der Einrichtungen und Dienste, sowie über getroffene Entscheidungen. Sichtbar wird es auch in den Angeboten zur fachlichen und religiösen Fort- und Weiterbildung als Investition in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Durch eine persönliche Mitgliedschaft beim Caritasverband ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben, auf die Entwicklung des Verbandes und den eigenen Arbeitsplatz Einfluss zu nehmen. Diese Möglichkeit der Mitbestimmung und Mitgestaltung durch die Mitglieder ist notwendigerweise zu verstärken und auszubauen.
Zusammenarbeit
Hauptamtliche und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind aufeinander angewiesen und ergänzen sich gegenseitig. Die hauptamtliche Tätigkeit ist zeitlich und vom Umfang her begrenzt. Die ehrenamtliche Tätigkeit will diese Grenzen erweitern und die jeweils eigenen Fähigkeiten für einen klar umrissenen Aufgabenbereich einsetzen. Damit ist jedoch keine Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit durch Ehrenamtliche gemeint, sondern andere im Hauptamt nicht mögliche Hilfen, die stärker auf die menschlichen und seelischen Bedürfnisse, z.B. nach Nähe, Zuwendung etc., eingehen.
Die Unterstützung und Beratung Ehrenamtlicher durch Fachkräfte ist notwendig, wenn diese nicht überfordert und ausgenützt werden sollen. Haupt- und ehrenamtliche Arbeit haben dasselbe Ziel, jedoch verschiedene Aufgaben und garantieren gemeinsam die Qualität der Arbeit des Verbandes.
5. Caritasverband und Geld
Der Caritasverband ist nicht nur der Sozialdienst der kath. Kirche und ein Wohlfahrtsverband, sondern auch ein Wirtschaftsbetrieb. Er hat eine wirtschaftliche Verantwortung als soziales Dienstleistungsunternehmen seinen Klienten und Geldgebern gegenüber, sowie eine soziale Verantwortung als Arbeitgeber für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Geld spielt bei der Behebung von sozialen Nöten und Problemen eine immer größere Rolle.
Es gilt neue finanzielle Quellen zu erschließen und die bestehenden Einrichtungen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betreiben. Dazu ist eine hohe Transparenz über die Finanzen und deren Verwendung notwendig. Diese Transparenz wird u.a. erreicht durch die Information über die Einrichtungen und Aktivitäten des Verbandes auf allen Ebenen (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Mitglieder, Öffentlichkeit). Um dies wirksam tun zu können, ist eine kontinuierliche Überprüfung der Finanzen zu gewährleisten.
Der Caritasverband sorgt nicht nur für arme und mittellose Menschen, sondern für alle, die seine Hilfe beanspruchen. Dabei sind die Möglichkeiten der finanziellen Eigenbeteiligung zu prüfen. Dem Ehrenamt kommt auch unter dem finanziellen Gesichtspunkt eine bedeutende Rolle zu, und es ist für den Verband unerlässlich, weil dadurch das Angebot verbessert, erweitert und erhalten werden kann. Liebe, menschliche Nähe und Zuwendung sind nicht zu kaufen und zu bezahlen, sondern sind ein Geschenk.
Die Umsetzung – Unser Leitbild – nur ein Papiertiger?
Leitbilder sollten nicht nur geschrieben werden, sondern sollten konsequent in praktisches Handeln und Verhaltensweisen umgesetzt werden. Wir sind auf dem Wege dazu und stolz darauf, wie einvernehmlich Dienstgeber und Mitarbeiter bei der Umsetzung zusammenarbeiten. Folgende Umsetzungen sind in Gang gebracht bzw. bereits umgesetzt:
Anwaltsfunktion
Trotz leerer Kassen und ohne staatliche Förderung haben wir uns dem Thema Schuldnerberatung angenommen. Die Schuldnerberatung ist in den Allgemeinen Sozialen Beratungsdienst eingebunden. Auf diese neue Not wird bisher von der öffentlichen Hand nur unzureichend Hilfe angeboten. Wir haben das Problem aufgegriffen.
Grundlagen und Werte
Wir verpflichten unsere Mitarbeiter nicht auf Grundlagen und Werte, sondern wir laden sie ein, sich damit auseinander zu setzen und fördern sie, wenn sie es wollen. In der Arbeitszeit können Mitarbeiter an Veranstaltungen teilnehmen, die unter dem Titel stehen: “Die Bibel als Kraftquelle für die tägliche Arbeit”. Wir stellen Mitarbeiter für die Teilnahme an Exerzitien frei, übernehmen die Kosten. Gleichzeitig stellen wir sicher, dass durch zusätzliches Personal während der Abwesenheit dieser Mitarbeiter die Arbeit wie gewohnt weitergehen kann. An einer ersten gemeinsamen Wallfahrt nahmen Haupt- und Ehrenamtliche, Mitglieder, Klienten, Patienten und Betreute teil.
Andere befähigen statt selber tun
Die Förderung angeschlossener Caritasvereine hat Priorität. Neue Aufgaben werden vom Kreiscaritasverband nur übernommen, wenn dies auf örtlicher Ebene nicht möglich ist. Ein ganzer Katalog von Veranstaltungen für unsere örtlichen Vereine stärkt die Selbsthilfekräfte vor Ort. Gemeindecaritas mit Schulungsangeboten für Ehrenamtliche in den Pfarrgemeinden bleibt trotz leerer Kassen eine wesentliche Aufgabe des Verbandes.
Förderung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Unser Verband gibt weit mehr Geld für Fort- und Weiterbildung seiner Mitarbeiter aus, als er über Zuschüsse und öffentliche Finanzierungen bezahlen kann. Wir gehen davon aus, dass hochmotivierte und qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das beste Kapital für die tägliche Arbeit sind. Um Fortbildung noch praxisnäher zu gestalten, wurde die Entscheidungskompetenz für Fortbildungsmaßnahmen auf die Stellen- und Einrichtungsleiter verlagert.
Qualität der Arbeit der Hauptamtlichen
Durch Umstrukturierung der internen Organisation ist die Arbeit unserer Dienste und Einrichtungen, von der Pflege bis zur Beratung, eng vernetzt. Arbeitskreise über alle Pflegeeinrichtungen befassen sich im Arbeitsalltag mit Fragen von Pflegeleitbild, Pflegeplanung, Pflegestandards und Qualitätssicherung. Die Sozialstation verbessert bereits seit 1997 ihr gesamtes Arbeitssystem durch Teilnahme an Qualitätsmanagementmaßnahmen. Freiwillig unterziehen sich all unsere Beratungsstellen ab 1998 Maßnahmen zur Qualitätssicherung der fachlichen Arbeit und der organisatorischen Abläufe.
Caritas und Geld
Wir gehen davon aus, dass die Herstellung von Transparenz über die Mittelverwendung der Caritas Vertrauen schafft und Spender und Mitglieder wirbt. Wir unterziehen uns daher, ohne dass die Satzung dies vorschreibt, externer Prüfung durch Fachleute. Dienstgeber und Mitarbeiter haben sich einvernehmlich darauf geeinigt, z. B. Betriebsausflüge in die Freizeiten der Mitarbeiter zu verlegen. Trotzdem ist die Teilnahme bei allen Veranstaltungen sehr gut. Wir fühlen uns als Dienstgemeinschaft ! Ohne große gegensätzliche Diskussionen zwischen den Mitarbeitervertretungen und dem Dienstgeber wurden in Zeiten leerer Kassen freiwillige Sozialleistungen reduziert, um damit die Arbeitsplätze abzusichern.
Seit 1998 haben wir unsere Anstrengungen in der Öffentlichkeitsarbeit verdoppelt. Alle Einrichtungen und Dienste haben neue Prospekte geschaffen und weit in der Öffentlichkeit gestreut. Wir sind im Internet vertreten. Öffentliche Diskussionen über Probleme der Menschen mit psychischer Erkrankung oder Suchterkrankung, über Erziehungsprobleme, neue Armut etc. sollen dazu beitragen, die Menschen für die sozialen Probleme unserer Zeit zu sensibilisieren, dass sie solidarisch eintreten für die schwachen Menschen unserer Gesellschaft.
Leitbildumsetzung ist ein Prozess – er ist niemals abgeschlossen!
Anke Schäflein, Geschäftsführerin